Antonin Dvořaks Oper „Rusalka“ findet sich derzeit in den Spielplänen gleich mehrerer Häuser, so im Theater an der Wien oder in Klagenfurt, wo übrigens Veronika Dünser aus Vorarlberg als dritte Elfe mitwirkt. In Sankt Gallen hat Vera Nemirova eine sehr starke Inszenierung dieser Märchenoper erarbeitet. Am Dirigentenpult sorgte Modestas Pitrenas, seit einem Jahr Musikchef in Sankt Gallen, für berückende Klänge – so schön hat das Sinfonierochester Sankt Gallen noch selten geklungen.
Die Geschichte der Wassernixe Rusalka, die sich in einen Prinzen verliebt und daher zum Menschen werden möchte, kann man auf sehr verschiedene Weise inszenieren, jedoch kaum besser, als es das Team um die Bulgarin Vera Nemirova am Theater Sankt Gallen geschafft hat. Zwar ist man zuerst etwas beklommen von der Nüchternheit des Ambientes (Bühnenbild Youlian Tabakov), doch bald wird klar, dass hier mit einer berührenden Zartheit und Aufrichtigkeit die Beziehungen der Figuren untereinander gezeichnet sind. Es entstehen zutiefst menschliche Momente, etwa in den Begegnungen des väterlichen Wassermannes mit Rusalka. Aber die Authentizität der Emotionen ereignet sich auch auf der anderen Seite der Skala, nämlich in der Kaltherzigkeit der „fremden Fürstin“ und der Verführbarkeit des Prinzen. Und schließlich scheut sich Nemirova nicht vor erotischen Szenen, die hier endlich einmal glaubhaft herüberkommen. So nimmt einen das Bühnengeschehen gefangen und erzeigt mehr als einmal pure Gänsehaut. Und Nemirova und ihr Team bringen durcaus besondere Ideen ein, etwa diese, dass die Bühne den Zuschauerraum du das Publikum spiegelt oder dass der Prinz hier ein Komponist ist und Rusalka ihm als seine Muse erscheint. Begeisterndes kommt auch aus dem Orchestergraben. Das Sinfonieorchester Sankt Gallen schwelgt unter Modestas Pitrenas in wunderbaren Klängen, dynamisch fein abgestuft und farbenreich. Und auch die Freunde großer Opernstimmen kommen auf ihre Kosten. Sofia Soloviy singt die Rusalka so poetisch wie klangfüllig und ist in ihrer Darstellung berührend natürlich. Der Wassermann Marcell Bakonyi verströmt seinen samtenen Bass und Kyungho Kim trumpft als Prinz mit heldischem Tenor auf – seine Hin-und Hergerissenheit zwischen Rusalka und der „fremden Fürstin“ kommt glaubhaft herüber. Nora Sourouzian war von einer starken Erkältung geplagt. So agierte sie zwar auf der Bühne als so coole wie gebieterische Hexe Ježibaba, doch Alžběta Vomáčková lieh ihr ihre Stimme, von der Seite singend. In der Handlung war die attraktive Tschechin die „Fremde Fürstin“ mit intensivem Mezzosopran. Alle weiteren Rollen waren überzeugend besetzt, und der Chor, einstudiert von Michael Vogel, machte seine Sache gut. Von auffallend hoher Qualität waren die Kostüme, die Marie-Thérèse Jossen entworfen hat, das hat in der Textilstadt Sankt Gallen ja bereits Tradition. Frenetischer Applaus!
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