Im Bodenseeraum, zwischen dem Allgäu und Liechtenstein, gibt es eine Reihe semiprofessioneller Vereine, die sich dem Musiktheater widmen. Herausragend ist sicherlich das in Götzis beheimatete Musiktheater Vorarlberg, kurz mtvo, das sich unter seinem jetzigen künstlerischen Chef Nikolaus Netzer und der rührigen und charmanten Produktionsleiterin Margit Hinterholzer hervorragend entwickelt hat. Pro Jahr gibt es eine Produktion, wobei Oper, Operette und Musical im Wechsel gezeigt werden. In diesem Jahr war Oper dran, und damit die Märchenoper „La Cenerentola, ossia La bontà in trionfo“. Der Zufall wollte es, dass das Opernstudio der Bregenzer Festspiele im August dasselbe Werk auf dem Spielplan hatte, natürlich in völlig anderer Besetzung. Wie sich bei der Premiere am Freitag, dem 3. Oktober in der Kulturbühne AmBach in Götzis zeiget, brauchte das mtvo den Vergleich nicht zu scheuen. Mehr noch: es präsentierte eine ebenbürtige Aufführung. Der Idealismus vieler Vereinsmitglieder, verbunden mit wohldosiert eingesetzter Professionalität bei den Soli, machte solches möglich.
Veronika Vetter, Daniel Raschinsky und Sabine Winter
Die Premiere am Freitagabend wurde vom vollen Haus zu Recht enthusiastisch gefeiert. Es stimmte einfach alles. Unter der Gesamtleitung von Nikolaus Netzer traf das Orchester den richtigen Klang – die Leichtigkeit und Behändigkeit der Tongebung in den Buffo-Opern Rossinis ist ja stets eine große Herausforderung. Auch der semiprofessionelle Chor des Hauses, einstudiert von Khrystyna Korepanova, stand dem in nichts nach, und zudem sind ihm Rosen zu streuen für viele Freiwilligenarbeit beim Erstellen des Bühnenbilds sowie Einigem mehr. Für die Aufführung in Götzis wurden die Auftritte, die eigentlich ein reiner Männerchor zu bestreiten hätte, erweitert um die Frauenstimmen. Denn auch die Damen wollten sich auf der Bühne zeigen, nicht zuletzt in den fantasievollen Kostümen, die Nicole Wehinger entworfen hat. Sie griff die Idee von Regisseur und Bühnenbildner Norbert Mladek auf, die Welt der normalen Menschen gegen die Steifheit des Fürstenhofes jeweils farblich abzugrenzen, also die Buntheit gegen das rituelle Schwarz-Weiß. Vor allem zeigen das die Würfel-Elemente, die die Treppe zu Cenerentolas alias Angelinas Glück bilden. Sie selbst baut mit an dieser Treppe, denn sie ist es, die sich „ihr inneres Königreich“ schafft. So sagt Regisseur Mladek, der viele weitere wunderbare Einfälle hatte, die einen zum Schmunzeln brachten und diese Aufführung keinen Moment langweilig erscheinen lassen. Aber auch die für die frühe italienische Oper so typischen Freeze-Szenen gestaltet er eindringlich, sodass diese Geschichte um das Aschenputtel nicht nur spaßig ist, sondern auch zum Nachdenken anregt. Und offenbar hat er auch mit dem Sängerensemble genau gearbeitet. Star des Abends ist Corinna Scheurle, die nicht nur prächtig sang, sondern auch den Charakter der zuvor geknechteten Frau, die dann zur Fürstin wird, wunderbar zeichnet. Scheurle, Mezzosopran mit familiären Wurzeln in Vorarlberg, ist schon seit mehreren Saisonen am Staatstheater Nürnberg engagiert und singt dort die großen Partien ihres Fachs. Sabine Winter und Veronika Vetter als ihre zickigen Schwestern stehen ihr an Musikalität und Bühnenpräsenz nicht nach, ebenso wie die Baritone Matthias Bein als Don Magnifico und Daniel Raschinksy als Dandini zu brillieren wissen. Ein zurückhaltender Charakter ist der Prinz, den Miloš Bulajić gibt. Bei seiner Bravourarie in zweiten Akt zeigt er aber, was er kann und brennt ein Feuerwerk von Koloraturen und Spitzentönen ab. Martin Ohu ist der rätselhafte Magier Alidoro, der mit seiner exotischen Ausstrahlung für diese Rolle prädestiniert ist. Auch sein profunder Bass überzeugt, wenn man sich an sein besonderes Timbre gewöhnt hat. Somit ist beim mtvo in Götzis eine wunderbare Aufführung zu erleben, die noch einige Male gespielt wird und die viele Menschen mit der Kunstform Oper in Berührung bringt, die sonst nicht unbedingt zu deren Stammpublikum zu zählen sind. www.mtvo.at
Fotos mtvo (Gmeiner)
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